In der Geschlechterdebatte um die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote fühlen sich oft beide Seiten diskriminiert: Männer beklagen eine generelle Benachteiligung bei Ausschreibungen, Frauen die weiter niedrige Präsenz in den Spitzengremien. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung lag der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der größten 200 deutschen Unternehmen bei gut 15 Prozent – gut 2 Prozentpunkte über dem Vorjahr – und stagnierte in den Vorständen annähernd bei mehr als 4 Prozent.
In einer jüngsten Online-Umfrage des Führungskräfteverbandes VAA (s. Grafik) sehen mehr als die Hälfte aller befragten männlichen Führungskräfte ihre Berufsaussichten durch Frauenförderprogramme „negativ“ beeinträchtigt. Frauen im Gegenteil bewerteten den Effekt der Förderung weniger gravierend. Ihr Empfinden, bevorzugt zu werden, fällt weit geringer aus als unsere männliche Sorge, benachteiligt zu werden.
Diese Statistik schockiert. Nicht aufgrund der Prozentzahlen, sondern aufgrund der Kluft unserer geschlechtsspezifischen Reaktion auf die zukünftige Gleichstellung von Frauen und Männern. Was verunsichert uns Männer so sehr, wenn Frauen gleichwertig und gleichberechtigt ihren „Mann“ stehen?
Viele Erklärungen scheitern, die nicht in einem historischen, sozialen und psychologischen Kontext eingebettet sind. Der Artikel Raus aus den alten Rollen von Dr. Elizabeth Debold in der Zeitschrift evolve ist eine erfrischende und tiefschürfende Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit die allgemeine Führungskrise auch eine Krise unserer Männlichkeit ist?
Sie beschreibt, dass aufgrund der Art und Weise, wie sich die männliche Identität ausbildet, das Herbeirufen des Weiblichen den Antrieb zur Dominanz von Männern noch verstärken könnte. Denn die männliche Identität wurde meist als Antithese zum Weiblichen gebildet. Traditionell gelten drei Bereiche als Grundlage der männlichen Identität: Schutz, Fortpflanzung und Ernährung.
Und mal ganz ehrlich (unter Männern): Mit Beginn des 21. Jahrhunderts sind Frauen in allen drei Bereichen auf eine Weise unabhängig, die unser traditionelles Rollenverständnis radikal entwertet. Was ich unter Männern erlebe, ist eine enorme Verunsicherung und Angst vor einem Identitätsverlust mit historischem Ausmaß.
Bezeichnend für die allgegenwärtige Realität von Geschlechter- und Rollenidentifikation ist noch eine andere Studie, die Jungen und Mädchen vor dem Teenager-Alter gefragt hat, was sie tun würden, wenn sie am nächsten Tag als das andere Geschlecht aufwachen. Während die Mädchen neue Gelegenheiten sahen, reagierten die Jungen instinktiv mit Panik und Todesangst.
Kürzlich hatte mich eine Kollegin gebeten, sie spät nachts auf dem Heimweg zu ihrem Auto zu begleiten. Sofort fühlte ich mich in meiner „Männlichkeit“ geehrt und bestätigt, als ihr Beschützer auftreten zu dürfen. Im nächsten Moment wurde mir schmerzlich mein Rollenverhalten bewusst und der Preis, den wir dafür bezahlen. Um mich als Beschützer zu fühlen und anerkannt zu werden, musste ich mich von der körperlichen und emotionalen Verwundbarkeit meiner Kollegin abschneiden und konnte sie nicht als zutiefst geteilte menschliche Erfahrung zwischen uns zulassen.
Am Ende ihres Artikel ermutigt Dr. Debold, in Diskussionen über Führung und ihre zukünftigen Erfordernisse und Praktiken, Führung selbst aus der männlichen Einseitigkeit zu befreien: „Die Fähigkeiten, die wir als Männer und Frauen entwickeln müssen, basieren auf Qualitäten beider Geschlechter: zuhören und entschlossen handeln, Intuition und Analyse. Sie rufen nach einer neuen Sensibilität und Differenziertheit der Wahrnehmung in der Zusammenarbeit über Unterschiede hinaus, die nur wenige Männer und Frauen heute schon entwickelt haben.“
Mit Frauen, die „ihren Mann stehen“ habe ich keine Probleme. Hatte im Lauf meines Lebens einige kompetente Kolleginnen.
Was ich himmelschreiend finde sind die Frauen, die ohne Kompetenz bzw. Leistung die gleichen Vorteile haben wollen, die Männer sich durch Leistung verdienen.
Ihre Beobachtung trifft meiner Meinung nach auf Männer genauso zu. Darüber hinaus sind die Maßstäbe, an denen wir Kompetenz und Leistung messen, meist männliche.