Die Debatte um den Deutschen Mesut Özil macht deutlich, dass Integration nicht von heute auf morgen passiert. Özils Vater war zwei (!), als er mit seinen Eltern von der türkischen Schwarzmeerküste nach Gelsenkirchen übersiedelte. Ist also die Erwartung, kulturelle Anpassungen in einer oder zwei Generationen umzusetzen, nur ein frommer Wunsch? Oder ist sogar der Gedanke von Integration vielleicht nur eine veraltete, realitätsferne Idee? Muss ein Afrikaner in Deutschland seine schwarze Farbe loswerden, um wirklich integriert zu sein?
Ich habe das Gefühl, dass wir viel zu klein denken, wenn wir uns mit solchen herausfordernden Fragen beschäftigen. Ich bin sicher, dass ein Alexander Gerst, wenn er von der ISS auf die Erde schaut, keine Grenzen sieht, die Nationen voneinander trennen. Was er sieht, ist eine wunderbarer Planet im Weltraum, mit dem wir Menschen fürsorglich umgehen sollten – gibt es doch keinen „Planet B“, wie Macron dem amerikanischen Präsidenten vor kurzem erklärte.
Wie tief sich allerdings kulturelle Einflüsse einbrennen können, haben wir sehr deutlich in der Arbeit mit einem unserer Kunden erfahren, bei dem vor etwa fünf Jahren die Nachfolge des alten Geschäftsführers vollzogen wurde. Der Neue wird von seinen Mitarbeitern als kooperativ und respektvoll beschrieben, der Alte wurde von allen gefürchtet und als Diktator dargestellt.
Vor etwa einem Jahr nun, zur Vorbereitung auf einen Workshop mit dem Geschäftsführer und seinem Führungsteam, wurde uns während unserer Interviews die Frage gestellt, ob denn der neue Geschäftsführer auch selbst am Workshop teilnehme? Wenn Sie als Leser dieses Blogs ein wenig von unserer Vorgehensweise bei Veränderungsprojekten mitbekommen haben, dann vermuten Sie richtig, dass wir diese Frage mit einem klaren JA beantwortet haben. So klar, wie unser JA war, war aber gleichzeitig unsere Verwunderung über diese Frage, brachte sie doch zum Ausdruck, wie weit entfernt sich das Führungsteam vom Geschäftsführer fühlen musste – obwohl der Wechsel zum „Neuen“ schon fünf Jahre zurücklag.
Bei einem weiteren Workshop mit der nächsten Führungsebene haben wir die gleichen Kräfte wieder wahrgenommen: Die Angst vor dem „Alten“ war immer noch da und hemmte das eigene Potenzial, konstruktiv Veränderung anzustoßen und gemeinsam umzusetzen.
Wir haben daher in beiden Workshops diese „kulturelle Bremse“ thematisiert, um den Übergang vom „alten“ zum „neuen“ Geschäftsführer bewusst zu machen. Wichtig war dabei, die Unterschiede in den Führungsstilen mit den sich daraus ergebenden Potenzialen für die Mitarbeiter herauszuarbeiten. Erst danach war der zwischenmenschliche Raum frei für echte Veränderung. Erst dann konnten wir an der Lösung konkreter Engpässe arbeiten und sicher sein, dass die Umsetzung der gemeinsam beschlossenen Maßnahmen Aussicht auf Erfolg hat.
Wenn Sie also mit Ihrem Change Projekt nicht ganz so schnell vorankommen, wie sie es sich wünschen, überlegen Sie einfach mal, welche „kulturellen Bremsen“ in Ihrem Unternehmen wirken könnten? Diese Bremsen zu erkennen und zu lösen wird Ihre Veränderungsanstrengungen mit Sicherheit beflügeln.
Freuen Sie sich schon auf den Moment, wo Sie mal wieder so richtig durchatmen können – ich wünsche Ihnen dabei auf jeden Fall viel Erfolg!