Vor kurzem war ich Teilnehmer am 4. Frankfurter Demografie-Kongress. Der demografische Wandel ist ein bedeutender Zukunftstrend, und so war auch die Veranstaltung hip und trendy. Expertenvorträge, Bistrotalks und Workshops wurden live visualisiert. In den Pausen gab es Poetry-Slam, Street-Performance und Brainflow und von überall konnte zu jeder Zeit getwittert werden.
Die coolste Überraschung aber war etwas ganz Unerwartetes: Eine Studentin der Hochschule in Coburg, die erste in Deutschland mit einer Fakultät für Integrative Gesundheitsförderung, leitete eine 5-minütige Meditation mit allen Teilnehmern. Über 500 Menschen aus vorwiegend leitenden Berufen in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft wurden von der jungen Dame in innere Bewusstseinsräume der Stille und Achtsamkeit geführt. Doch noch viel mehr verblüffte es mich, wie ganz natürlich und unspektakulär es sich anfühlte.
Ist spirituelle Praxis im Mainstream angekommen? Anzeichen dafür gibt es. Zum Beispiel ist die Zahl akademischer Studien über Bewusstsein und Achtsamkeit in den letzten 20 Jahren in Deutschland von weniger als zehn auf nahezu 800 im Jahr angestiegen. In Magazinen wie Spiegel, Stern und Time schaffte es das Thema bereits auf die Titelseiten und namhafte Unternehmen haben Achtsamkeitsübungen und Meditation in ihren Alltag integriert.
In der aktuellen Ausgabe von evolve nimmt Mike Kauschke diese Entwicklung unter die Lupe. In seinem Artikel „Die Achtsamkeitsrevolution“ stellt er die Frage: Was passiert, wenn Meditation nur als Technik des Selbstmanagement verwendet wird? Dabei bezieht er sich unter anderem auf einen Zwischenfall im Februar während der von Google veranstalteten Konferenz „Wisdom 2.0“, bei der es um Achtsamkeitskultur in Unternehmen ging. Während eines Vortrages betraten Aktivisten die Bühne, um gegen die Wohnungsnot in San Francisco zu protestieren. Statt achtsamer auf das aufrichtige Anliegen zu reagieren, wurde das Publikum lediglich dazu aufgefordert, den Vorfall achtsam wahrzunehmen während die Aktivisten vom Sicherheitspersonal nach draußen geleitet wurden. Das hat dann zu heftiger Kritik von amerikanischen Buddhisten geführt.
Als Unternehmensberater mit langjähriger Meditationserfahrung kenne ich das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Zielen und spirituellen Werten. Umso mehr stimmt mich das Fazit des Artikels hoffnungsvoll: „Regelmäßige Achtsamkeitspraxis kann das Bewusstsein weiten und so dazu beitragen, dass Menschen und ihre Absichten sich verändern. Vielleicht steht die Businesswelt in diesem Sinne tatsächlich am Beginn einer Achtsamkeitsrevolution – die künftig dann auch der spirituellen Dimension des Menschen mehr Raum und Ausdruck geben kann, wenn sie sich ihres Kontextes einer ethischen und philosophischen Orientierung bewusster wird.“
Hallo Herr Karneth,
vielen Dank für Ihren Artikel und Ihre tolle Webseite. Es ist eine schöne Entwicklung, dass die Wirtschaft so Dinge wie Mediation nicht mehr als Spinnerei und Eso-Firlefanz abtut und sich die ’normalen‘ Menschen öffnen und sich immer öfter die Frage stellen: ‚Ja ich bin erfolgreich – und was nun? Was ist der Sinn im Leben. Noch ein größeres Auto? Oder liegen die wahren Schätze nicht im Inneren?‘
Ich bin auch der Meinung, man sollte die Menschen, dort abholen wo sie stehen. Kritisch wird es, wenn so wirklungsvolle Techniken wie Meditation lediglich zur Erreichung von persönlichen Zielen und somit zweckgebunden betrieben werden. Das springt zu kurz. Aber der Hunger kommt bekanntlich beim Essen. Wie in der Zauberflöte schön dargestellt, gibt es die Basis-Mysterien fürs Volk (Pagageno) und die höheren Weissheiten, für die, die sich wirklich darauf einlassen (Tamino).
Liebe Grüße
Christoph Friedl
Hallo Herr Friedl, vielen Dank für Ihren wertvollen Kommentar. Sie haben das Spannungsfeld gut auf den Punkt gebracht und Ihre Gleichnisse finde ich sehr treffend und schön.
Spannender Blog mit einem Thema, dem ich auch seit geraumer Zeit nachgehe (siehe meine Webseite). Wie ehrlich und nachhaltig ist die Achtsamkeitsrevolution im Business?
Tolle Webseite, Herr Tapken, vielen Dank. Ihr Hintergrund integriert viele spannende Entwicklungsfelder, da würde ich mich über einen Austausch sehr freuen.