Wir unterschätzen das, was wir haben, und überschätzen das, was wir sind.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916), österreichische Aphoristikerin.
Ich komme gerade von einem zweitägigen Workshop mit einem beeindruckendem Führungsteam zurück. Nach Aussage aller Teilnehmer war es der bisher beste Workshop in einer Reihe von Workshops mit diesem Team. „Im ersten Workshop hat man sich als Team noch recht gut beurteilt, im zweiten Workshop gesellte sich zu einer realistischeren Einschätzung Ernüchterung und im dritten Workshop lernte man die eigene Entwicklung schätzen und erkannte die Kraft von wirklicher Ausrichtung“ so der O-Ton des Teams. Mit Führungsteams zusammenzuarbeiten ist immer hochinteressant und sehr bereichernd. Zum einen lernen wir dabei viele neue und unterschiedliche Menschen kennen. Zum anderen lassen diese uns an Ihrer inspirierenden Entwicklung teilhaben.
Bei unserer Arbeit mit Führungsteams geht es immer um Entwicklung: um die kontinuierliche Ausrichtung des Teams und damit auch des Unternehmens. „Ziehen alle an einem Strang“, bedeutet das aus unserer Perspektive, dass Klarheit über den Engpass zu Veränderung und den Engpass zum Wachstum des Unternehmens besteht – genauso wie über deren Lösung. Fehlt diese Klarheit im Führungsteam, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass nicht immer der beste Nutzen aus den vorhandenen Ressourcen Zeit und Mensch gezogen wird.
Wie gut das Führungsteam eines Unternehmens zusammenarbeitet,
stellen wir auf der Evolutionsuhr der Unternehmensentwicklung dar.
Diese Evolutionsuhr zeigt, wie sich Teams durch verschiedene Stadien zu immer leistungsfähigeren Einheiten entwickeln. Dabei unterscheiden wir vier ausgeprägte Stadien der Teamentwicklung, die jeweils von ihren besonderen Randbedingungen, Engpässen und Lösungsoptionen bestimmt sind. Für ein Team ist es wichtig zu erkennen, wo es steht. Je klarer diese Erkenntnis, umso deutlicher das Verständnis für den vorhandenen Engpass und umso schneller kann dieser Engpass (zu Veränderung) beseitigt werden und damit die Entwicklung zum nächsten Stadium umgesetzt werden.
Meist überschätzen sich die Führungsteams, wie oben beschrieben, in ihrer Selbsteinschätzung. In einem Fall (Kunde aus dem Non-Profit Bereich) wich die Selbsteinschätzung des Teams aber besonders weit von der tatsächlichen Situation ab. Das ist deshalb interessant, weil daran auch deutlich wird, worum es bei dieser Art von Teamentwicklung geht. Es geht nämlich nicht darum, wie „gut man sich versteht“. In diesem Team waren alle von derselben Mission inspiriert und die meisten arbeiteten unentgeltlich mit. Das hatte etwas sehr Schönes und Verbindendes und man sah sich im Stadium IV: „Sich selbst entwickelnde Teams“. Konflikte wurden allerdings vermieden. Was in der Abreit mit uns schnell deutlich wurde, war, dass die wenigsten wirklich bereit waren, Verantwortung zu übernehmen. Nach und nach wurde deutlich, dass man in Richtung Stadium II „Direktive Führung“ unterwegs war, der Hauptverantwortliche aber erst erkennen musste, dass für das Funktionieren seines Teams eine Direktive Führung absolut notwendig war, obwohl das nicht besonders gut in die Idee der gleichberechtigten Zusammenarbeit passte.
Der Schritt wurde gemacht und es folgte eine Klärung der Rollen und Verantwortlichkeiten. Dabei lernte man auch, Konflikte als notwendig und hilfreich zu erkennen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass nicht jeder bereit war, diese Art von Verantwortung für die eigene Rolle und für das Austragen von Konflikten zu übernehmen. Das führte zu einer Verkleinerung der Führungsmannschaft und im Laufe der Zeit zu einer immer klareren Ausrichtung.
Man war sich einig in der gemeinsamen Vision, die verschiedenen Rollen mit den zugehörigen Verantwortungen waren klar voneinander getrennt und man konnte damit beginnen, Strategien zur Lösung der Engpässe zu entwickeln und umzusetzen. Für die Entwicklung des Teams wurde das Stadium III „Ineinandergreifende Rollen und Strategien“ als nächste Herausforderung angenommen.
Wie beide Beispiele deutlich machen, kann es sehr hilfreich sein, sich nicht nur auf die eigene Einschätzung zu verlassen, sondern durch Input von außen das Risiko der Selbstüberschätzung zu minimieren.
Lieber Eb,
danke für diesen Artikel zum wichtigen Thema Selbsteinschätzung, Führung und Team. Ja, wir Menschen liegen in unserer Evaluation unserer eigenen Person erstaunlich oft und manchmal erstaunlich weit entfernt von der Realität.
Jedes einzelne Teammitglied ist mit Filtern in der Wahrnehmung beglückt, um aus der Wahrnehmung die Wahr-gebung zu machen.
Und die Summe (hier Team) ist auch schnell mehr als die Addition der einzelnen Teile, sprich Individuen.
Welche Auswirkungen das auf Führung hat und auch auf die Kraft der Führung, ist enorm.
Schön, dass Ihr mit Eurer wertvollen Arbeit Erkenntnisse und Bewusstheit schafft.
Liebe Grüße,
Karen